Online Bibliothek
Reihen
Athen, 20. Mai 1958. Dimitra holt vom Flughafen ihre Schwägerin Filio ab, die nach zehn Jahren aus den USA wieder nach Griechenland zurückkehrt. Die beiden Frauen kommen in einem alten, fast verfallenen Haus im Stadtteil Kolonos an. Dort setzt ein Vernichtungskrieg ein, der bis zum Morgengrauen andauert: Ein typischer Erbstreit wird zum Auslöser für die Entwirrung eines Knäuels dunkler Ereignisse aus dem Befreiungsjahr 1944: Wer hat zu Beginn des Bürgerkriegs den rechtsradikalen Kollaborateur in ihrer Nachbarschaft getötet? Fanis, Dimitras Bruder und Filios Ehemann, Mitglied der Kommunistischen Partei, oder Filio, die wohl eine besondere Beziehung zu ihm hatte?
Die Geschichte in diesem Kammerspiel wird durch Dimitras bruchstückhafte und verstörte Gedanken, durch ihre verwirrte Wahrnehmung erzählt. Ihr offensichtlicher Opportunismus und ihre Aggression, meisterhaft skizziert, stehen in Widerspruch zu ihrer Vergangenheit – die Widerstandskämpferin gegen die Deutschen war von den Rechtsnationalisten verhaftet und gefoltert worden. Kotzias’ Novelle ist die Essenz seiner Auseinandersetzung mit den unlösbaren Fragen um Schuldige und Täter, um Gute und Böse, unter der Last der historischen Tragödie des »Griechischen Dreißigjährigen Kriegs«.
Alexandros Kotzias: Jaguar
Aus dem Griechischen übersetzt von Hans Eideneier, überarbeitet von Birgit Hildebrand. Mit einem Nachwort von Vangelis Chatzivassiliou.
Alexandros Kotzias (1926–1992) studierte Jura in Athen, allerdings ohne Abschluss, und war u. a. als Literaturkritiker und Herausgeber sowie als Leiter des Pressebüros der Griechischen Botschaft in London tätig.
Als erste literarische Arbeit erschien 1943 eine Erzählung von ihm in einer Schülerzeitung, 1953 kam sein erster Roman Poliorkia (Belagerung) heraus. Es folgten sechs Romane, vier Novellen sowie Theaterstücke, Essays und Übersetzungen.
Kotzias gilt als einer der bedeutendsten Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; er zeichnete sich besonders aus durch den Einsatz von Erzählmitteln der literarischen Moderne und der verschiedensten Idiome der griechischen Sprache, aber auch durch die minutiösen Psychogramme seiner teilweise widersprüchlichen bis abscheulichen Figuren, Träger eines Kollektivtraumas aus der Zeit der Deutschen Besatzung, des Bürgerkriegs und der Militärdiktatur. Sowohl durch seine Prosa als auch durch seine Essays und Übersetzungen trug Kotzias aktiv zur kollektiven Erinnerung an den »Griechischen Dreißigjährigen Krieg« bei, wie er die Zeit 1944–1974 bezeichnete.
Er starb 1992 auf Kea, ohne die geplante Heptalogie Die Kinder des Kronos abschließen zu können.
Hans Eideneier wurde 1937 in Stuttgart geboren. Er studierte Klassische Philologie und Byzantinistik, wurde 1966 in München promoviert und habilitierte sich 1974 in Köln. Er war Professor für byzantinische und neugriechische Philologie an der Universität Köln sowie ordentlicher Professor für byzantinische und neugriechische Philologie an der Universität Hamburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die byzantinische Volksliteratur. Neben seinem wissenschaftlichen Werk übersetzte Eideneier über fünfzig literarische Werke aus dem Griechischen ins Deutsche, u.a. von Odysseas Elytis, Alexandros Kotzias, Dimitris Nollas, Jannis Ritsos und Thanassis Valtinos.
geboren in Regensburg. Birgit Hildebrand lehrte viele Jahre an der Deutschen Abteilung der Aristoteles-Universität in Thessaloniki. Seit 1989 übersetzt sie neugriechische Literatur, hauptsächlich Prosawerke. 2001 Deutsch-Griechischer Übersetzerpreis für Pavlos Matessis‘ Tochter der Hündin, 2014 Griechischer Staatspreis für Übersetzung für Christos Ikonomous Warte nur, es passiert schon was. Heute lebt sie in Berlin.
Die Edition Romiosini veröffentlicht griechische bzw. griechenlandbezogene Literatur in deutscher Sprache und bietet alle Bücher zur kostenlosen Online-Lektüre an. Gerne würden wir dieses Angebot interaktiv gestalten: Wir freuen uns auf Ihre konstruktive Kritik in Form von Korrektur- oder Verbesserungsvorschlägen unserer Bücher. Ob es um eine Lücke, ein Missverständnis, eine Fehlinterpretation oder um den unvermeidlichen Druckteufel geht, Sie können uns gerne Ihre Bemerkungen schicken!
Online Bibliothek
Reihen
Die Edition Romiosini ist ein Projekt des CeMoG mit freundlicher Unterstützung der Freien Universität Berlin und der Stavros Niarchos Foundation.
Online-Bibliothek der Edition Romiosini
— Griechische und griechenlandbezogene Literatur (Belletristik, Sachbuch und Fachliteratur) in deutscher Sprache